Portwein-Botschafter Axel Probst im Interview mit dem Connaisseur Consumer Blog
In Deutschland führt der Portwein ein Schattendasein. Ehemals untrügerisches Kennzeichen bürgerlicher Genusskultur ist der Portwein heutzutage weitestgehend aus unseren Gläsern und Köpfen verschwunden. Vollkommen zu unrecht, meint Axel Probst, seines Zeichens offizieller Botschafter des Portwein-Instituts.
Seit Jahren ist er als Missionar des verstärkten Weins vom Douro unterwegs, nun hat er mit „Portwein“ die lang vermisste Fachbibel zum Thema vorgelegt. Ein Gespräch über die Faszination für rote Ruby und Tawny Ports, für weiße und Rosé Portweine mit einem, der es wissen muss.
Herr Probst, was assoziieren sie als erstes mit dem Buchstabenkürzel DDR?
Als 1970-Geborener, der aufgrund einiger Erfahrung in der Schwimm-Nationalmannschaft für 20 Jahre zur Bundeswehr gegangen ist, drängt sich natürlich die Bezeichnung für die Sowjetisch Besetzte Zone auf. Da diese aber immer mehr aus meiner Erinnerung rückt, hat die „Douro Demarcated Region“ diesen ehemals für mich negativ geprägten Platz eingenommen und ins Positive gedreht.
Wie hoch schätzen Sie die Anzahl der Menschen in Deutschland, deren spontane Assoziation gleichfalls Douro Demarcated Region lautet?
Rund zwei Personen in Deutschland, mein Geschäftspartner Christopher Pfaff, der zwar in der DDR geboren wurde, diese aber nur bis zum 6. Lebensjahr erleben musste, und ich.
Anders herum gefragt: Wie sieht der typische deutsche Portwein-Konsument aus? Und welche Portweine füllt er sich vornehmlich ins Glas?
Es gibt wie in den meisten anderen Weinregionen wirkliche Liebhaber. Bis zur Generation meiner Großeltern gehörte ein gutes Glas meist hochwertigen Portweins zum normalen Alltag. Im Nachkriegsdeutschland ist das leider völlig in Vergessenheit geraten. Ich habe es mir daher zur Aufgabe gemacht, die Gepflogenheiten, die in Rest-Europa vorherrschen, auch den Deutschen wieder schmackhaft zu machen. Alle anderen westeuropäischen Länder trinken mehr Portwein pro Einwohner als wir Deutsche. Es gibt viele Weinfreunde, die neuerdings hochqualitative Portweine für sich entdecken. Es wird in Deutschland heute insgesamt weniger Portwein, aber dafür von höherer Qualität getrunken, als noch vor ein paar Jahren.
Neben einer generellen Weinaffinität muss man auch einiges über Portwein wissen, um sich der Faszination und dem Genuss des verstärkten Weins vom Douro zu nähern. Wie schätzen Sie denn den Kenntnisstand deutscher Weinliebhaber in Bezug auf Portwein ein?
Mäßig bis nicht vorhanden. Aber genau hier setze ich an. Wenn es mir gelingt, die Multiplikatoren wie Sommeliers und Fachhändler zu schulen, ist eigentlich alles gewonnen. Letztlich ist Portwein keine „rocket science“. Es gibt neben den White und Rosé Ports rund 90 Prozent Portweine aus roten Trauben, die sich wiederum in Ruby Ports und Tawny Ports aufteilen. Hier gibt es jeweils drei Qualitätsstufen. Das bringe ich jedem Grundschüler in fünf Minuten bei. Wenn man das aber nicht weiß, traut man sich an Ports nicht heran und bewirbt diese auch nicht. Bis vor kurzem gab es auch kein aktuelles und umfassendes Buch über Portwein in deutscher Sprache. Das trägt mit Sicherheit auch zur Unkenntnis bei.
Wieso ist das Thema Portwein in der Weinszene so unterbelichtet? Es kann ja kein qualitativer Grund sein. Ein kultureller vielleicht? Wer kennt hier schon den Bischof von Norwich?
In England trinkt man immer Ruby Ports, meist die hochwertigen Vintage Ports und immer nach dem Essen, die Franzosen lieben ausschließlich fassgereifte Tawny Ports, eher günstig und immer als Aperitif. In Skandinavien und den Benelux-Ländern trinkt man beides auf recht hohem Niveau. Warum Portwein in Deutschland dieses Schattendasein (ge)führt (hat), kann ich nicht sagen, aber jeder Weinfreund, der ein Glas Vintage Port aus einem großen Jahrgang probiert hat, ist fasziniert. Portweine gehören zu den großen Weinen dieser Welt.
Kann man sich denn beim Kauf eines Portweins an den großen Markennamen orientieren? Kann das Renommee der großen Portwein-Häuser dem Verbraucher helfen, seine Unsicherheit abzulegen?
In den vergangenen Jahren ist die Qualität im gesamten Portweinsegment immens gestiegen. Große Häuser leben von der Reputation und der Käufer muss meist ein paar Euro mehr für sie ausgeben. Ähnlich wie beim Champagner sind aber große Häuser bei den Einstiegs-Weinen nicht immer die Referenz, bei den Mittel- und Spitzenqualitäten dagegen schon.
In Ihrer „Portwein“-Bibel, die dieses Jahr erschienen ist, deuten Sie an, dass der Zusatz von Branntwein vielleicht nicht nur der besseren Haltbarkeit für den Transport diente, sondern auch eine Art geschmacklichen USP der Weine vom Douro gestiftet hat. Mittlerweile sind aber auch die Rotweine vom Douro groß im Kommen und werden – so zumindest unsere Wahrnehmung – mehr beworben als der Portwein. Gerät jetzt etwa die Namenszuordnung des USP ins Wanken?
Das Douro-Tal ist für die mehr als 300-jährige Geschichte des Portweins bekannt. Diese macht die „schönste Weinregion der Welt“ zusätzlich unverwechselbar. Heute haben sich nahezu alle Winzer am Douro aufgemacht, auch Weiß- und Rotweine zu produzieren. Da die Önologen seit Generationen in den Weinbergen tätig waren und über einen wahren Schatz von autochthonen Rebsorten und jahrzehntealten Reben verfügen, konnten sie in Lichtgeschwindigkeit lernen und füllen heute auch Weine ab, die zur Weltspitze gehören. Da Portwein stark reguliert ist, kann die Weinproduktion für den Hersteller lukrativer sein als die Portweinproduktion. Hier muss sich in den Regularien in naher Zukunft etwas ändern. Da die Weine die Portweine nicht ausschließen, denke ich, dass eine gemeinsame Bewerbung und Entwicklung sehr vorteilhaft für die Produzenten wäre. Wein bekommt man überall – Portwein nur aus dem Douro-Tal.
Ganz einfach gefragt: Was hat Portwein anderen verstärkten Weinen wie Sherry oder Madeira voraus? Was macht ihn zu einem unverwechselbaren, einmaligen Genuss?
Ich bin auch ein großer Sherry- und Madeira-Fan. Die Sherry-Logik basiert allerdings größtenteils auf dem Solera-System, wo man alte und junge Weine recht zufällig verschneidet. Ältere Sherries als 30 Jahre alte (V.O.R.S.) gibt es nicht und auch die jahrgangsreinen Sherrys sind (leider) die Ausnahme. Die Trauben für Madeira wachsen auf vulkanischem Ursprung und sind sehr säurehaltig. Portwein schafft es meiner Meinung nach, einen balancierten, sehr hochwertigen Wein in das Glas zu bringen, bei dem ich gerne nach einem zweiten Glas frage.
Nun drei Fragen, die Ihnen bekannt vorkommen dürften. Was war der erste Port, den Sie getrunken haben? Was ist am Douro besonders? Welchen Port nehmen Sie mit auf eine einsame Insel?
Der erste Portwein war ein Fonseca Vintage Port 1977 – ein großer Port, bei dem man unweigerlich anfängt, sich für Portwein zu interessieren.
Das Douro-Tal ist die schönste Weinregion der Welt. Sie ist darüber hinaus die perfekte Alternative zum Schweigekloster, da man automatisch entschleunigt, je näher man zur spanischen Grenze kommt.
Auf die einsame Insel nehme ich eine Flasche Quinta do Noval 1963 Nacional in der Doppelmagnum mit.
Ein ähnliches Fragen Trio haben wir auch aus eigener Feder zu bieten. Bitte drei kurze Antworten.
Barolo oder Bitburger? Ich trinke tatsächlich auch gerne mal ein Bier, aber dann nur eins oder zwei. Bier erfrischt sehr, wird aber schnell langweilig.
Sushi oder Matjes? Sushi und deutsche Spätlesen – unerreicht.
Chateaubriand oder Tomahawk? Auf jeden Fall Tomahawk. Mit zwei Kindern, die jedes Mal fragen, warum man schon wieder Fleisch essen muss, seltener als früher.
Zum Weiterlesen
„Deutsches Standardwerk zum Portwein“: Buchbesprechung von Axel Probst „Portwein“ im Mercurio Drinks Blog „Auf ein Glas“.
Das Buch
Axel Probst: Portwein, Verlag Mondo Heidelberg, 2017, ISBN: 9783938839270
Das Interview für den Connaisseur Consumer Blog führte Michael Stolzke.